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Jabando - Im Kreisel der Zeit (4)

 

„Können Sie sich vorstellen, dass der arme Stefan hier kein Weihnachten feiern darf? Seine Eltern erlauben es nicht. Haben Sie vielleicht ein schönes Weihnachtsgeschenk für ihn?“, fragte Jojo. Stefan sah ihn ganz überrascht an. „Äh“, machte er, sagte dann aber nichts weiter, denn Herr Munkel hatte nachdenklich seinen Finger an die Nase gelegt.

„Soso, hm, ist das so? Und was ist mit dir?“ Er schaute Jojo an.

 

„Wieso mit mir?“, fragte er verwirrt.

„Ist er nicht dein Bruder?“

Jojo fing an zu lachen. „Nein, Tom ist mein Bruder.“

„Ach“, antwortete Herr Munkel und schaute zwischen den drei Jungen hin und her. „Ich hätte schwören können, der hier ist dein Bruder. Ihr seht euch so ähnlich.“

Jetzt schaute auch Tom die beiden noch einmal genau an. Herr Munkel hatte Recht. Jojo sah Stefan wesentlich ähnlicher als ihm selbst. „Das ist ja verrückt“, murmelte er.

„Wie dem auch sein, ich glaube, ich habe da genau das Richtige für dich“, sagte Herr Munkel und verschwand im hinteren Raum. „Einen kleinen Augenblick, bitte!“, rief er noch über die Schulter.

„Der kann mir doch nicht einfach was schenken“, flüsterte Stefan etwas irritiert.

„Doch“, sagte Jojo im Brustton der Überzeugung, „das macht der. Der ist total nett. Das Bonbon hat er dir doch auch schon geschenkt. Der hat immer Bonbons dabei.“

Es dauerte eine Weile, bis Herr Munkel zurückkam. Als er es tat, fielen Tom und Jojo vor Überraschung fast die Bonbons aus dem Mund. In seinen Händen hielt er einen kleinen, unscheinbaren Kreisel. Tom packte Jojo am Arm, damit der sich nicht verplapperte. Es war genau der Kreisel, den sie in der Spielzeugkiste auf dem Dachboden gefunden hatten. Es war genau der Kreisel, der sie dank Toms Lego-Apparat in der Zeit zurückkatapultiert hatte. Und wenn das so war, dann war Stefan niemand anderer als ihr eigener Vater.

„Hier, mein Junge. Der Kreisel sieht vielleicht nach nichts Besonderem aus, aber es ist ein Zeitenkreisel. Wenn Du ihn gegen den Uhrzeigersinn drehst, verlangsamt er die Zeit. Je schneller und länger er sich dreht, desto stärker ist seine Wirkung. Wenn du richtig gut bist, dann kannst du sogar ein bisschen die Zeit zurückdrehen. Aber nur ein bisschen.“ Herr Munkel zwinkerte Stefan zu. Der war sich nicht so ganz sicher, ob Herr Munkel ihm nicht einen Bären aufband.

„Und den wollen Sie mir schenken?“

„Herzlich gern mein Junge. An Weihnachten hat Gott uns das größte Geschenk gemacht, das es je gegeben hat: Er hat seinen eigenen Sohn auf die Welt geschickt, um uns zu erlösen. Und deswegen macht es auch mir viel Freude, etwas zu verschenken. Fröhliche Weihnachten! Auch wenn es erst in ein paar Tagen ist.“

Stefan nahm den Kreisel und drückte ihn an sich. Sein erstes Weihnachtsgeschenk überhaupt.

„Danke“, sagte er leise. Er sah Tom und Jojo an. „Danke“, wiederholte er und wandte sich dann zum Gehen. „Ich muss jetzt echt schnell nach Hause“, ergänzte er noch und war im nächsten Moment mitsamt seinem Schlitten verschwunden.

„So, und ihr beide?“, fragte Herr Munkel und sah Tom und Jojo erwartungsvoll an.

„Das war Papa“, krächzte Jojo, und fing dann hysterisch an zu lachen.

 

Es dauerte eine Weile, bis Tom und Jojo Herrn Munkel erklärt hatten, dass der Kreisel wirklich funktionierte und wie alles zusammenhing. Und dass sie in der Zukunft gute Freunde waren. Herr Munkel schüttelte immer wieder den Kopf und sagte „Nein, sowas.“ Sie waren sich nicht so ganz sicher, ob er ihnen wirklich glaubte, aber wenn er es nicht tat, ließ er es sich nicht anmerken.

„Ich hätte da mal eine ganz andere Frage“, sagte er schließlich. „Wie kommt ihr denn jetzt wieder nach Hause?“ Die Brüder schauten ratlos drein. Dann stieß Jojo Tom an. „Hol doch mal den Nintendo raus, vielleicht kommen wir ja mit Abbruch wieder nach Hause“, sagte er. Fasziniert beobachtete Herr Munkel, wie Tom die Spielkonsole aus der Tasche zog.

„Was ist denn das für ein Ding?“, fragte er neugierig.

„Das ist ein Gerät, mit dem man Computerspiele spielen kann“, erklärte Tom.

„So klein?“

„Ja, in den nächsten Jahren wird da ganz viel neu entwickelt“, meinte Tom und drückte auf die Home-Taste des Nintendo.

 

Wenn du das Spiel verlassen möchtest gehe durch eine Tür.

Wenn du spielen möchtest, fordere die Spielanleitung an.

 

„Ach, jetzt grad nicht“, sagte Jojo, als er den Text auf dem Display entziffert hatte. „Für heute habe ich genug Abenteuer erlebt.“

Die Jungen verabschiedeten sich von Herrn Munkel und gingen aus dem Laden. Sobald sie auf dem Bürgersteig standen, wussten sie, dass sie wieder in ihrer Zeit angekommen waren. Die Häuser standen wieder alle da, wo sie hingehörten, die Autos sahen nicht mehr aus wie von vorgestern und die Leute waren auch wieder so gekleidet, wie sie es gewohnt waren. Als sie zu Hause klingelten, war Mama einigermaßen überrascht.

„Wo kommt ihr denn her? Ich dachte, ihr seid in eurem Zimmer“, sagte sie.

„Ach, wir waren nur kurz Herrn Munkel besuchen.“ Mama schüttelte den Kopf.

„Ihr wisst doch, dass ihr mir Bescheid sagen sollt“, ermahnte sie ihre Söhne, die beide brav nickten und sich entschuldigten. Im Spielzimmer lag der Kreisel neben Toms Lego-Konstruktion, von der einige Teile abgefallen waren. Schweigend legte Tom den Kreisel in die Spielzeugkiste zurück. Sie räumten auch alle anderen Sachen wieder hinein und brachten die Kiste zurück auf den Dachboden.

 

Als Papa abends zu ihnen kam, um ihnen gute Nacht zu sagen, kuschelte Jojo sich ganz eng an ihn.

„Papa?“, fragte er, „Magst du Weihnachten?“

Papa schmunzelte. „Ja, mit euch ist Weihnachten echt schön“, sagte er und strich Jojo liebevoll über den Rücken.

„Und wie war Weihnachten für dich als Kind?“, wollte Tom wissen. Papas Hand stockte und blieb still auf Jojos Rücken liegen. Er seufzte.

„Als Kind gab es für mich kein Weihnachten. Meine Eltern, also, vor allem mein Vater, wollten das nicht.“

„Das heißt, du hast gar keine schönen Weihnachtserinnerungen?“ Jojo richtete sich auf und sah ihn gespannt an.

„Eine“, sagte Papa. „In einem Jahr habe ich mal zwei Jungen getroffen. Die waren die ersten, die mich nicht ausgelacht haben, weil wir kein Weihnachten gefeiert haben. Ich weiß gar nicht, wer das war, die habe ich danach nie wieder gesehen. Da habe ich auch von Herrn Munkel den Kreisel geschenkt bekommen. Von dem habe ich euch mal erzählt, oder?“ Tom und Jojo sahen sich kurz an und nickten dann. Sollten sie ihm sagen, dass der Kreisel noch auf dem Dachboden lag? Besser nicht.

„Deswegen besuchen wir auch nur Mamas Eltern zu Weihnachten, oder?“

Papa nickte. „Ich habe schon sehr lange keinen Kontakt mehr zu meinem Vater. Meine Mutter ist schon vor vielen Jahren gestorben.“

„Wenn dein Vater so ein schlechter Vater war, wie kommt es dann, dass du ein so toller Papa bist?“, fragte Tom nachdenklich.

„Findest du, dass ich das bin? Da bin ich aber beruhigt.“ Er streckte den Arm aus und Tom kam zu ihm, um sich auf der anderen Seite anzukuscheln. „Ich mache einfach das, was ich mir als Kind immer gewünscht habe, was mein Vater tun sollte.“

„Wie zum Bespiel Weihnachten feiern?“, fragte Jojo.

Papa lachte. „Ja, wie zum Beispiel Weihnachten feiern. So, und jetzt wird geschlafen. Morgen müsst ihr nochmal in die Schule. Gute Nacht.“

„Gute Nacht!“

Nachdem die Schritte im Flur verhallt waren, sagte Tom, „Weißt du, was ich denke?“

„Was denn?“

„Ich denke, wir sollten mit Papa Jabando spielen. Vielleicht sogar mit Papa und Mama. Damit sie Jesus kennenlernen. Was meinst du?“

„Weiß nicht. Meinst du, die machen das mit?“

„Wenn wir es ihnen zu Weihnachten schenken, müssen sie mitmachen“, sagte Tom entschlossen.

Jojo kicherte. „Das wird krass.“

 

Ende

 

Ich wünsche allen meinen Lesern ein fröhliches und gesegnetes Weihnachtsfest!

 

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